Großes Interesse an Info- und Diskussions-Veranstaltung am 5. Oktober 2022 in Schwieberdingen und Plänen des Automobilzulieferers und der Region – Wichtige Themen: Beteiligung und Ausgleich für Naturschutzbelange
Datum: 7.10.2022
Bosch will zwei Windräder in Schwieberdingen bauen lassen und strebt damit an, circa ein Drittel seines Strombedarfs am Standort aus regenerativen und regional erzeugten Energien zu beziehen. „Obwohl alle Dächer bereits mit Solaranlagen bedeckt sind, können damit lediglich zwei Prozent des Energieverbrauchs gedeckt werden – das reicht gerade mal um die beiden Kantinen zu versorgen. Der geplante Solar-Carport erhöht die Energie-Autarkie dann auf fünf Prozent. Mit zwei Windrädern könnten 35 Prozent des Energieverbrauchs am Standort Schwieberdingen gedeckt werden“, berichtet Ulrich Schneider, Experte für Energieversorgung von Bosch am Donnerstagabend bei einer öffentlichen Veranstaltung. Der Landtagsabgeordnete Dr. Markus Rösler (Grüne) und der Ortsverband von Bündnis 90/ Die Grünen Schwieberdingen-Hemmingen hatten dazu eingeladen.
Die Energiegenossenschaft Ingersheim und Umgebung eG, in Person Vorstandsmitglied Dieter Hallmann, berichtet nach zehn Jahren Betrieb von der Erfolgsgeschichte und Rentabilität des bislang einzigen Windrads im Kreis Ludwigsburg – und das an einem angeblich ungünstigen und windarmen Standort. Jetzt stellt sich die Frage, wie viele Windräder im Kreis Ludwigsburg zwischen Siedlungen, Gewerbegebieten, Natur- und Erholungsräumen noch entstehen könnten, um den auch in Zukunft hohen Strombedarf in der Metropolregion zu decken? Denn bis zum Jahr 2040 soll Baden-Württemberg klimaneutral sein.
Rösler hat die Hoffnung, dass es in Schwieberdingen neben den geplanten zwei Windrädern von Bosch auch ein Bürgerwindrad geben wird. „Ich freue mich, wenn nun die Gespräche aufgenommen werden und alle Interessierte sowie Beteiligte oder Betroffene ins Boot kommen“. Entscheidend seien wie bei vielen Projekten die Eigentumsverhältnisse und ob die Besitzer geeigneter Flächen bereit seien, eine Windkraftanlage auf ihrem Grund und Boden errichten zu lassen. Sebastian Grosch, Leiter der Projektentwicklung des Windparkentwicklers wpd konnte auf Nachfrage klären: „Windkraftanlagen weisen einen verhältnismäßig geringen Flächenverbrauch auf – pro Anlage werden etwa 0,5 Hektar versiegelt“.
Ermuntert zur Bereitstellung eigener Flächen hat am Donnerstag in der rund einstündigen Diskussion in der Turn- und Festhalle auch der Landwirt aus Ingersheim, auf dessen Acker das dortige Windrad steht: Die Geräusche der Anlage wirkten auf ihn sogar „positiv“, da er an dem Bürgerenergierad beteiligt sei und entsprechend Gewinn aus der Anlage abschöpfen könne, versichert der Ingersheimer mit einem Augenzwinkern – und das obwohl er nur 450 Meter entfernt wohnt. Der Mindestabstand für heutige Anlagen dagegen beträgt 700 Meter.
Bei den neu geplanten Anlagen östlich von Schwieberdingen seien die Abstände zu den angrenzenden Wohngebieten auch in Möglingen und Korntal-Münchingen deutlich größer. Einem Bewohner der lediglich 700 Meter entfernt liegenden Aussiedlerhöfe Kirchhöhe wurde von Seiten der Gemeinde wie auch des Investors versichert, dass er in die weitere Planung miteinbezogen würde und dass noch zahlreiche Messungen bzgl. Lärmbelastung und Schattenwurf ausstehen würden. Auch wenn es sich bei den beiden Windrädern nicht um ein genossenschaftliches Windrad handeln würde, hätten die Anwohner die Möglichkeit sich über Nachrangdarlehen beim Investor zu beteiligen.
„Alles hat seine Zeit – und heute war die Zeit, dass Bosch seine Pläne vorstellt, dass Thomas Kiwitt vom Verband Region Stuttgart zum ersten Mal seine Karten für die neue Regionalplanung vorstellt und jetzt ist die Zeit für jeden Einzelnen sowie für die Gemeinde sich einzubringen“, resümiert Rösler, der Mitglied im Umweltausschuss des Landtags, Sprecher für Naturschutz und Finanzen der Fraktion der Grünen und seit vier Jahrzehnten ehrenamtlich auf Bundesebene und europäischer Ebene im Naturschutz tätig ist. Wichtig ist dem Politiker auch, dass wir nicht nur in einer Energiekrise, sondern auch in einer ökologischen Krise (Stichwort: Artensterben) stecken und dass wir auf einem schmalen Pfad wandern, um beide Krisen meistern zu können. Die westlich von Schwieberdingen gelegenen Flächen, die ebenfalls in den Regionalplanungen als potentielle Windkraftstandorte ausgewiesen sind, dürften deshalb auf keinen Fall genutzt werden, da sie ein wichtiges Gebiet für Zug- und Rastvögel darstellen.