Grüne diskutieren mit Staatssekretärin Lindlohr und Experten
Datum: 8.12.2023
Wie wollen wir in Zukunft wohnen? Darüber diskutierten die Staatssekretärin Andrea Lindlohr (Grüne) aus dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen, Laura Kälber von „Architects for Future“, Holger Schünhof als Vorstand der KreisBau Enz-Neckar Baugenossenschaft, Reinhard Wahl vom Stadtteilausschuss „Kernstadt Vaihingen“ sowie als "Spezieller Publikumsgast" der Vaihinger Oberbürgermeister Uwe Skrzypek mit rund 50 Gästen in der Vaihinger Stadthalle.
Eingeladen hatten der Grüne Ortsverband sowie der Grüne Landtagsabgeordnete Dr. Markus Rösler, der die Veranstaltung moderierte.
Staatssekretärin Lindlohr aus dem 2021 neu gegründeten Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen thematisierte die Herausforderungen im Wohnungsbau unter anderem durch gestiegene Zinsen, Baukosten sowie Materialengpässe. Die Landesregierung plane eine deutlich gestiegene Wohnbauförderung und eine Vereinfachung des Planungsrechts, um dem wachsenden Bedarf nach bezahlbaren Wohnraum gerecht zu werden. Auch würden gesetzliche Standards, wie die vereinfachte Wiederverwendung von Bauteilen überprüft und im Rahmen des Bürokratieabbaus der Landesregierung überarbeitet. Wichtig sei zudem die Aufstockung und außerhalb schon stark verdichteter Innenstädte die Nachverdichtung von Wohngebäuden, um ein Anwachsen des Flächenverbrauchs zu verhindern.
Laura Kälber von „Architects for Future“ wies auf die Klimaschädlichkeit im Bausektor hin. Dieser verbrauche in Deutschland ca. 40% der Gesamtemissionen und sei für 55% des Abfallaufkommens verantwortlich. Die Antwort auf die Wohnkrise dürfen nicht Neubauten auf der grünen Wiese sein, wie kürzlich von Bundeskanzler Olaf Scholz gefordert. Dabei verwies die Architektin auf den Remanenzeffekt, wonach ältere Menschen in einmal bezogenen Häusern bleiben, auch wenn die Kinder ausgezogen sind. So kommt es häufig dazu, dass Einfamilienhäuser nur von ein bis zwei Personen bewohnt werden. Würde es gelingen in nur 10% der Einfamilienhäuser eine Einliegerwohnung einzubauen, so könnten in Deutschland ca. 1,6 Millionen neue Wohnungen in bestehendem Gebäuden entstehen, so Kälber.
Holger Schünhof von der Baugenossenschaft Enz-Neckar mit ihren allein über 150 Wohnungen in Vaihingen/Enz klagte über eine mangelnde Planungssicherheit im Bausektor, die durch das aktuelle Bundesverfassungsgerichtsurteil nochmals verstärkt wurde. Er warb für Genossenschaften im Wohnungsmarkt, da diese im Regelfall ein lebenslanges Mietrecht anbieten.
Reinhard Wahl benannte die Gartenschau 2029 in Vaihingen als zentralen Impulsgeber für die Entwicklung von Freiflächen der Stadt, vor allem auch für die Zeit nach 2029. Ebenso betonte er, dass der vielkritisierte Denkmalschutz nicht der Verhinderungsgrund von Bauprojekten sei. Die Denkmalschutzbehörden treten zunehmend als Vermittler auf, um auch Umnutzungen in denkmalgeschützten Häusern zu ermöglichen.
OB Skrzypek betonte, dass in den Behörden durch das eng getaktete Tagesgeschäft häufig keine Zeit für die Zukunftsplanung des öffentlichen Raums bestünde. Die Verwaltung müsse entlastet und personell gestärkt werden. Zukunftsgestaltung müsse Pflichtaufgabe der Behörden sein, nicht die Kür.
"Warum herrscht in der Vaihinger Innenstadt so viel Leerstand?" war eine der Fragen in der Diskussion. OB Skrzypek wies darauf hin, dass der aktuelle Gebäudebestand der Innenstadt häufig nicht den Ansprüchen der Mietenden genüge. Man wolle heutzutage helle, offene Räume am besten inklusive Balkon oder Freisitz sowie einer Parkmöglichkeit in der Nähe. Diese Ansprüche finde man in der Innenstadt seltener, weshalb es Mietende eher in die Neubaugebiete an den Stadtrand ziehe. Ein Phänomen was sich laut Staatssekretärin Lindlohr in vielen großen Kreisstädten beobachten lässt.
Eugen Schütz, Initiator der Veranstaltung vom grünen Ortsvorstand wies darauf hin: Das frei gewordene Häcker-Areal in Vaihingen biete eine herausragend Möglichkeit, alternative Wohnformen der Zukunft zu erproben.
"Aus Alt mach neu" fasste Rösler die Diskussion zusammen: Denkmalgeschützte Gebäude nicht abreißen, sondern sanieren. Ältere großflächige Wohnungen aufteilen in flexible, kleinere Elemente. Aus Bürogebäuden Mehrgenerationenhäuser entwickeln. Bestehende Wohnungsbaugenossenschaften stärken oder neu gründen: Nichts sei, so Rösler, so stark wie die Kraft einer Idee, deren Zeit gekommen sei. Und das gelte hoffentlich auch für neue Formen des Wohnungsbaus in Vaihingen.